Tx=20211229.

Very Low Frequency Empfänger: SAQ

Da mein Test-Rig jetzt recht gut funktioniert, wollte ich schauen, ob ich damit einen VLF (very low frequency) Empfänger bauen kann. Der Maschinensender SAQ in Schweden sendet 3 Mal pro Jahr, auch jedes Weihnachten. Dieses Jahr bin ich wieder mal zu spät dran, aber ich will für nächstes Weihnachten gerüstet sein. SAQ sendet auf 17,2 kHz (!), das ist eine Wellenlänge von über 17 km (!), also tatsächlich im Audio-Bereich. Der Vorteil ist, dass es (so dachte ich) beim Aufbau nicht so kritisch ist, weil es ja keine richtige HF ist.

Es führen viele Wege zum Ziel, aber ich wollte es erst mal ganz klassisch mit einem Schwingkreis zur Selektion probieren. Welche Spule eignet sich da? Im Internet liest man, dass 82mH geeignet sind und die Leute verwenden dann eine Ferritantenne, wie man sie aus Mittelwellenradios kennt. Ich habe bei 17kHz gleich an die 16kHz Zeilenfrequenz eines Fernsehers gedacht und an den Zeilentrafo. Das ist ein Ferrit-Trafo und da der im Fernseher einige zig Watt (für die Hochspannung und Ablenkung) umsetzen muss, kann seine Qualität, sein Q-Wert, nicht so schlecht sein, denn sonst würde er überhitzen. In der Bastelkiste fand ich auch noch einen alten Zeilentrafo von einem Schwarz/Weiß-Röhrenfenseher (denn da war noch die Fassung für die DY86, den Hochspanungsgleichrichter, am Trafo montiert.). Er liess sich leicht zerlegen. Ich habe die Röhrenfassung, die Heizwindung und die Hochspannungsspule entfernt. Die verbliebene Primärspule habe ich wie folgt vermessen:



Dabei habe ich beim Zerlegen den Luftspalt im Ferritkern entfernt, da als Empfangsspule ja keine hohen Leistungen umgesetzt werden, der Kern also sicher von der Antenne nicht in Sättigung getrieben wird, andererseits ich aber hohe Induktivitäten bei kleinem Ohm'schem Widerstand brauche, um eine hohe Kreisgüte (und damit Selektivität und Empfindlichkeit) zu erreichen. Die Induktivitäten des originalen Zeilentrafos mit Luftspalt dürften um einiges niedriger gewesen sein (habe ich leider nicht gemessen).

Die Spule 2--6 hat mit 617mH bereits eine zu hohe Induktivität, aber die Spule 1--2 oder 6--9 ist mit ca. 35mH vermutlich brauchbar. Da die Spule 6--9 den kleineren Ohm'schen Widerstand und die etwas höhere Induktivität hat, versuche ich es damit. Eine Kapazität von ca. 2.38nF sollte uns bei ca. 17.2kHz in Resonanz bringen. Ein 2.2nF Festkondensator mit einem 400pF Drehkondensator sollte die Feinabstimmung ermöglichen.

Die Ankopplung des Signalgenerators erfolgt lose über das Durchstecken des Drahtes durch den Jochraum, also 1 Windung, denn wir wollen den Schwingkreis möglichst wenig dämpfen, um hohe Selektivität und Resonanzüberhöhung der späteren Antennenspannung zu bekommen. Das g1 Gitter liegt gleichspannungsmässig auf Masse, denn wir haben ja festgestellt, dass dann die Verstärkung der EF98 am höchsten ist. Als Anodenwiderstand verwende ich 47k, denn dies erwies sich für kleine Leistungen als am besten geeignet (bis zu 70-fache Verstärkung!). Und ich rechne mit sehr kleinen Empfangsspannungen von deutlich unter 1V.

Während ich mit der Heizung experimentierte, habe ich Merkwürdiges beobachtet:
die Verstärkung der 17.2kHz war eigentlich immer miserabel, nur ca. 10mVpp an der Anode und auch nur bei komischen Einstellungen: +242mV am Schirmgitter was an 47k zu +3V Anodenspannung und an 12k zu +8V Anodenspannung führte. Wenn ich die Heizung bei angeschlossenen anderen Spannungen einschaltete, bemerkte ich, dass beim Aufheizen für einen kurzen Moment sehr gute Verstärkung herrschte! Also probierte ich 4V als Heizspannung und siehe da: ich hatte wesentlich bessere Verstärkung und das auch bei "vernünftigen" Werten für Schirmgitterspannung (+10V) und Anodenspannung (+10.4V). Ich denke, die geringe Heizspannung muss den gleichen Effekt wie eine negative g1-Vorspannung haben, damit muss ich experimentieren!

Ich vermute folgendes: da das g1 über die Spule gleichstrommäßig auf Masse liegt, fließt Gitterstrom (den haben wir zu Beginn ja gemessen) und dadurch wird der Schwingkreis stark bedämpft, sodass es zu keiner Resonanzüberhöhung mehr kommt. Tatsächlich messe ich mit der 10M Probe und kalter Röhre 20mVpp am Resonanzkreis (= g1), die aber, sobald ich die Heizung einschalte, unter die Messgrenze absinken. Ich will daher das g1 soweit negativ vorspannen (vermutlich ca. -1V), bis kein Gitterstrom mehr fließt. Das sollte den Schwingkreis entlasten und trotz der sinkenden Verstärkung der EF98 mehr Ausgangssignal geben. Dazu will ich ein Poti und einen Akku als Versorgung verwenden, da hier ja kein Strom fließt (außer dem Querstrom durch das Poti). In alten Röhrengeräten wird da oft eine 1.5V Batterie verwendet, die ewig hält, da sie nicht belastet wird. Oder man gewinnt die Spannung aus einem Kathodenwiderstand -- so will ich es machen, wenn die Spannung bekannt ist.

Tatsächlich erhalte ich jetzt eine enorme Verstärkung, die wohl hauptsächlich aus der Resonanzüberhöhung des jetzt unbedämpften Schwingkreises kommt. Auch kann ich jetzt mit dem Drehkondensator hervorragend auf das Maximum abstimmen, wenngleich ich nur bis 15.2kHz komme (ich muss einen etwas kleineren Kondensator von 1.8nF probieren). Es war also wirklich die Belastung durch den Gitterstrom! Mit "vernünftigen" Werten für negative g1-Vorspannung (-1.4V) und Schirmgitterspannung (+10.55V) sowie Anodenspannung (+11.7V), die allerdings recht kritisch sind, wächst das Vertrauen in die Schaltung.

Als Nächstes probiere ich statt des Anodenwiderstands eine 300mH Drossel (Schalenkern). Zuerst in Reihe mit dem Anodenwiderstand: deutlich höhere Wechselspannung an der Anode! Dann lasse ich den Anodenwiderstand weg und siehe da, ich bekomme an der Anode ein Signal, das mich umhaut: nach Feinjustierung der verschiedenen Spannungen erreiche ich fast 13Vpp!! Und das bei einem nicht mehr (mit meinen Mitteln) messbaren Eingangssignal, welches nur über 1 Windung angekoppelt ist! WOW! Dabei ist es dann ziemlich egal, welchen Wert die Betriebsspannung hat, wenn sie zwischen 14V und 38V liegt und die Schirmgitterspannung ca. 15V beträgt. Der Gewinn an Signalamplitude bei 38V und/oder höherer Schirmgitterspannung ist zu vernachlässigen.


Das Signal ist klar, nicht verrauscht, keine Brummüberlagerung. Toll!
Die Drossel hat einen Gleichstromwiderstand von 13.8 und 300mH Induktivität. Die Anodenspannung beträgt Ua = 38.1V und der Anodenstrom Ia =10.6mA. Die Schirmgitterspannung liegt bei Ug2 = 24.5V. Und die g1-Vorspannung bei Ug1 = -1.145V. Das sind aber Werte, die die Röhre auf Dauer nicht aushalten wird (obwohl wir laut Datenblatt knapp unter den thermischen Grenzwerten bleiben).
Etwas entspanntere Werte wären:
Ug1 = -1.120V
Ug2 = 15.1V
Ua = 38.2V
Ia = 5mA
Ub = 38.7V
Damit erreiche ich immerhin noch Ua = 6.5Vpp Signalamplitude. Wenn ich annehme, dass ich jetzt 0.1mVpp aus dem Signalgenerator einkopple und später 6.5mV Signal an der Anode noch weiterverarbeiten können sollte (also 1/1000 des jetzigen Signals), dann sollte ich 0.1Vpp von der Antenne noch nachweisen können. Und das sollte eigentlich reichen, um SAQ zu hören. Und das alles mit nur einer EF98! Ha!

Bei den Experimenten bemerkte ich, dass einerseits der Zeilentrafo empfindlich auf elektrische Einstreuungen reagiert. Ich sollte ihn also im fertigen Aufbau elektrisch abschirmen. Andererseits bemerkte ich, dass beim Messen der Anodenspannung die Signalamplitude deutlich anstieg?! Und tatsächlich: wenn ich mit dem Finger auf die Anode tippe, beginnt die EF98 zu schwingen! Da liegt die Idee nahe, durch Rückkopplung den Schwingkreis noch weiter zu entdämpfen, schließlich hat die Spule ja 2.5 Gleichstromwiderstand.

Als Vorversuch habe ich eine Windung als Kurzschlusswindung ausprobiert (denn der Kathodenkreis ist nachher ja auch sehr niederohmig): totaler Zusammenbruch! Das geht so also nicht. Mit 47k in der einen Windung ist dagegen keine Auswirkung mehr zu sehen. Dafür habe ich mehr unabsichtlich von der Anode mit einem Phasenprüfer in Richtung Zeilentrafo elektrisch gekoppelt und hatte sehr starke Schwingungen! Dabei stieg die Spannung an der Anode auf über 200V und die Glimmlampe im Phasenprüfer hat aufgeleuchtet, auch ohne dass ihn jemand berührt hätte. Also durchaus auch etwas Power vorhanden. Ich darf also nur ganz zart rückkoppeln.

Diese Schaltung war zu zart, kein Schwingen, keine ersichtliche Rückkopplung (Nachtrag: könnte sein, dass die Spule falsch gepolt war!). Für das Poti habe ich einen Poti-Halter 3D gedruckt. Er ist nach Jogi's Röhrenbude gedruckt.

Als Nächstes habe ich den ganzen Kathodenstrom durch die eine Windung geleitet. Zuerst nichts, aber nach Umpolen der Spule kann die Schaltung jetzt schwingen:

Sie schwingt mit über 100Vpp an der Anode und mit der Schirmgitterspannung kann man bis kurz vor den Schwingungseinsatz fahren. Jedoch ist die Verstärkung nicht besser (eher schlechter) als vorher, nur mit dem Schwingkreis. Daher verwerfe ich die Idee der Rückkopplung wieder.

Es ist jetzt Zeit, Empfangsversuche zu machen. Da SAQ zur Zeit nicht sendet, will ich einen anderen Sender probieren. Ich weiss sicher, dass DCF77 hier zu empfangen ist, daher will ich es damit probieren. Eine Berechnung sagt, dass 175pF als Kreiskapazität gebraucht werden, aber mit dem Drehko alleine (56pF - 400pF) komme ich nur auf 25kHz. Vermutlich ist die Wicklungskapazität der Spule zu hoch. Ich werde eine andere Anzapfung versuchen. Aber auch mit Anzapfung und einer anderen Wicklung (4--5, 233H) komme ich nicht über 30kHz hinaus, selbst ohne externe Kapazität bleibt es bei 30kHz. Da ist noch irgendwas faul. Ich habe ohne Röhre mit der 1:100 Probe direkt am Schwingkreis gemessen und dort das gleiche Verhalten: über 30kHz komme ich nicht hinaus. Es liegt also nicht an der Röhre oder der Drossel, sondern am Schwingkreis selbst. Ich denke, die Wicklungskapazität der Spule, vor allem die der 617mH Spule, selbst ist zu groß. Diese wirkt sich auch auf andere Spulen (und vor allem Teilspulen) aus, da alle eng kapazitiv verkoppelt sind.

Ich habe zwei kleine Luftspalte wieder eingeführt. Dadurch sinkt die Induktivität auf 11mH, genau der Wert, den ich will. Leider komme ich auch damit nicht auf 77.5kHz, sondern nur bis 50kHz hoch. Kann es sein, dass das Ferritmaterial des Trafos nicht bis zu einer so hohen Frequenz geht?

Ich habe einen 14mm Spulenkörper und dazu einen Wickeldorn, der die 14mm auf 6mm reduziert, sodass ich es im Bohrfutter einspannen kann, 3D-gedruckt und habe mit dem Akkuschrauber HF-Litze (60 x 0.07mm) aufgewickelt. Je nach Luftspalt erreiche ich damit 14mH bis 65mH Induktivität. Und mit den 14mH bekomme ich nun auch eine Resonanz bei 77.5kHz, die sich gut abstimmen lässt! Es lag also an der Zeilenspule. Ich empfange auch eine Trägerwelle bei 78.8kHz, jedoch ist es nicht der DCF77, da keine Modulation enthalten ist. Dafür sind ziemlich viele Störungen zu sehen.

31.12.2021:
Es funktioniert! DCF77 ist klar zu empfangen! Es ist eine ziemlich starke Störwelle bei ca. 78.8kHz zu sehen, die keine Modulation enthält (das habe ich wohl gestern gesehen), die sich aber mit der DCF77 Welle mischt und so ein Audio-Signal an der Anode erzeugt, das ich im Signalverfolger hörbar machen kann! Und da hört man ganz deutlich die Sekundenmodulation und die Minutenkennung. Yeaaah!

Ist zwar alles Andere als S9++, eher S1, aber es ist ein Anfang! :-) Die Antenne (Langdraht im Garten) zeigt aber praktisch keinen Effekt, egal ob sie eingekoppelt ist oder nicht. An der Antenneneinkopplung muss ich also noch arbeiten.

Dafür habe ich jetzt eine Antennenspule (im Bild weiß umrandet) mit 5, 10, 20 Windungen und entsprechenden Anzapfungen gewickelt. Nun wirkt sich die Antenne tatsächlich aus und mit 10 bis 15 Windungen geht es am besten. Mit 20 Windungen schon wieder schlechter. Ich könnte noch in Reihe einen Antennenkondensator schalten, um die Antenne vielleicht in Resonanz zu bringen.

Als Nächstes bin ich aber doch noch einmal zur Rückkopplung zurück, diesmal mit einem Kondensator von der Anode, auf 2 Windungen, nach Masse:

Ich habe einen 21pF Trimmer und parallel 18pF Festkapazität eingebaut. Damit kann man die Rückkopplung sehr gut einstellen. Und sie bringt jetzt doch deutlich was!

20220101:
Das funktionierte schon recht gut, war aber Hand-empfindlich, wenn man in die Nähe der Spule kam. Ich habe die Spule nun mit Kupfer-Geschenkpapier (ja, sowas gibt es! Es ist leitfähig beidseitig verkupfertes Papier -- sieht schön und ungewöhnlich aus. Leider kann man es nicht löten, aber für Abschirmungen ist es gut zu gebrauchen, da es sehr leicht (wie Papier) zu verarbeiten ist.) umgeben. Damit ist die Schaltung jetzt sehr stabil und unempfindlich gegenüber der Hand, jedoch nicht mehr so empfangs-empfindlich wie zuvor. Alles hat seinen Preis? Es ist jetzt auch eine deutlich höhere Rückkopplungskapazität (18pF => 39pF) erforderlich. Vermutlich war vorher ein Teil der Rückkopplung über Streukapazitäten erfolgt.

Mittlerweile wurde der erste der bestellten Ferritstäbe geliefert: 8mm Durchmesser und 80mm lang. Damit passt er genau in die Öffnung der Radiomann Magnetspule (siehe Bild), denn dafür habe ich ihn ausgesucht, die damit satte 25.5mH Induktivität bekommt. Dies ist zu vergleichen mit 2.6mH ohne Kern und 9.4mH mit einem Eisenkern. Leider ist sie mit Volldraht gewickelt, nicht mit HF-Litze.

Ich bekomme damit tatsächlich eine Resonanz auf 77.5kHz und kann auch den DCF77 hören -- ganz ohne zusätzliche Antenne! Aber der Empfang erscheint mir schwächer, als mit dem Zeilentrafokern und dem Langdraht. Das kann an der Ausrichtung liegen (der Ferritstab ist ja stark richtungsabhängig) oder am Volldraht. Auch konnte ich die Rückkopplung noch nicht so stark anziehen, dass es schwingt, egal wie ich die Spule pole.

Neuer Versuch: die HF-Litzen-Spule mit dem Ferritstab. Leider nur 2.8mH, wohl weil der Stab (8mm) viel zu dünn für die Spule (14mm) ist und daher die Feldlinien an der Spule vorbeigehen.  Immerhin kann ich damit Schwingungen erzeugen, jedoch kann ich DCF77 nicht hören. Die Litzen-Spule ist also sicher besser (höheres Q), jedoch verliere ich zu viel Empfangsenergie durch den für die Spule zu dünnen Ferritstab.

Letzter Versuch: ich probiere die Hochspannungswicklung meiner Tesla-Spule. Dies ist eine Luftspule mit 46mH, gewickelt mit Vollmaterial-Kupferdraht (keine Litze).

Ich höre damit den DCF77 ganz leise, komme aber fast nicht auf Resonanz, weil die Induktivität zu hoch ist. Dafür bringt diese Spule sehr viel Rauschen in den Empfänger.

Zusammenfassen lässt sich sagen, dass der Zeilentrafo (ohne Abschirmung) mit der HF-Litzen-Spule, Rückkopplung und Antennenspule mit 5 Windungen am besten funktioniert. Damit ist der DCF77 einwandfrei aufzunehmen und man erkennt am Oszi die Tastung hervorragend. Die NF-Ausgangsspannung beträgt ca. 15mVpp.



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