Liebe Freunde,

am 22.12.2016 fuhr ich mit meinem Oldtimer, Max der 1., FORD P4/12m BJ 1965, nach Garching bei München zur Arbeit. Es kamen viele Gründe zusammen:

So fuhr ich also um 6:10h morgens nach Garching. Die Lenkung zog zwar deutlich nach links (das muss ich mir bei wärmerem Wetter mal genauer anschauen -- ab auf die todo-Liste!), aber ich konnte bei einem pit stop keine Erwärmung der Bremsen feststellen, sodass es wohl nicht auf schleifende Bremsen zurückzuführen ist (Glück gehabt!). Trotzdem bremste ich nur sehr sachte, am liebsten Wagen ausrollen lassen :-) Es ging alles gut. Zwei Stunden später (und damit immer noch 30 Minuten schneller als mit dem Zug) erreichte ich das LRZ ohne grössere Probleme. Es hatte starken Nebel und so konnte ich nicht wirklich schnell fahren, maximal 80km/h, oft nur 60. Ich merkte aber auch, dass die niedrigen Aussentemperaturen den Motor stark kühlten, sodass er kaum Betriebstemperatur erreichte. Das Gebläse für die Innenraumheizung schaltete ich kaum ein, ich wollte dem armen Motor ja nicht noch mehr Wärme entziehen und auch die Lichtmaschine war mit der ganzen Beleuchtung und dem Scheibenwischer schon am Anschlag (und in der Strombegrenzung), sodass das Gebläse nur die Batterie geleert hätte. Und wer weiss, vielleicht ist eine volle Batterie beim nächsten Startversucht ja hilfreich. Also besser nicht.

Da ich nun nicht mehr an die starren Zugzeiten gebunden war, blieb ich gleich noch eine Stunde länger als sonst in der Arbeit und erledigte noch einige offene Dinge vor dem Weihnachtsurlaub. Und dann verlud ich noch den Rechner mit Drumrum in meinen Maxl. So wurde es 19h bis ich endlich losfahren konnte. Das Wetter war dann doch nicht so schön geworden, wie es vorhergesagt worden war (den ganzen Tag wolkig und trüb, mit einigen Schneeflocken), sodass ich ob meiner Sommerreifen schon etwas besorgt war. Wieder war dicker Nebel und es war unter 0C kalt. Aber alles lief gut. Ein Blick auf den Tankanzeiger sagte mir, dass nicht mehr all zu viel Saft im Tank war, aber eine schnelle Überschlagsrechnung ergab, dass ich es noch bis nach hause schaffen sollte. Also liess ich die Tankstellen rechts (und links) liegen.

Hinter Dorfen ging es den Berg hoch: kein Problem. Dann an Schwindegg vorbei. Ich freute mich schon auf daheim. Der Nebel war sehr dicht und es war draussen sehr kalt. Und auch drinnen. Also griff ich zum Gebläseknopf und schaltete das Heizungsgebläse ein. In genau diesem Moment verlor der Motor massiv an Leistung! Oh je, was hatte ich getan??!! Sofort schaltete ich das Gebläse wieder aus, aber der Motor gab keine Leistung mehr ab. Pumpen (Beschleunigungspumpe!) mit dem Gaspedal half auch nichts: egal wie sehr ich drückte oder pumpte, Maxl wurde langsamer und langsamer. Im letzten Moment sah ich durch den Nebel und die dunkle Nacht eine Feldwegeinmündung und konnte das Auto gerade noch (mit getretener Kupplung und stehendem Motor) in diese lenken. Ich stand nun quer zum Feldweg und blockierte diesen, hoffte aber, dass um diese Zeit (es war nach 20h) dort niemand mehr fahren würde. Zumindest war ich von der Schnellstrasse weg, sodass ich dort niemanden behinderte. Puuuh! Erst mal ausschnaufen! Schnell das Licht ausschalten, damit die Batterie nicht geleert würde, denn die brauchte ich ja noch für die Startversuche.

Was war passiert? Noch konnte ich mir keinen Reim darauf machen, alles kam total unerwartet. Mein erster Gedanke war: keine Motorleistung, auch Pumpen mit der Beschleunigungspumpe hilft nichts => Motor bekommt kein Benzin mehr. Mein zweiter Gedanke: aha, Tank leer (im besten Fall) oder wieder einmal Benzinleitung verstopft (im schlechtesten Fall: das hatte ich vor einigen Jahren gehabt, als ich den damals ganz neuen E10 Kraftstoff getankt hatte, dessen Ethanolbeimengung (die 10%) meine jahrzehntealten Verkrustungen und die innere Tankbeschichtung anlöste und damit dann alle Benzinfilter verstopfte, bis auch damals garnichts mehr ging. Das zu reparieren dauerte Jahre und erforderte einen Ausbau des Tanks und eine Erneuerung der Ansaugeinheit im Tank. Nichts für eine kalte und finstere Nacht im Niemandsland). Also aus rein praktischen Gründen erst mal annehmen, dass nur der Tank leer war. Ich hatte da ja die neue Tankgebereinheit eingebaut, vielleicht war die nicht richtig justiert (denn die Tankuhr zeigte immer noch etwas, wenngleich auch wenig, Sprit im Tank an!) oder die Ansaugeinheit tauchte nicht tief genug ein, oder was weiss ich. Nun rief ich erst mal Barb an, denn die ETA von 21:15h war nicht mehr zu halten. Und es wurde schnell kalt im Wageninneren. Aber Barb war mit Weihnachtsbäckerei (es war immerhin der 22.12.!) vollauf beschäftigt und konnte mich noch nicht abholen. Aber so machte sie sich wenigstens keine Sorgen (dachte ich mir).

Also Tank leer. Hmm, wenn ich doch jetzt nur einen Reservekanister im Auto hätte! Zur Not würde ich einfach bis zur nächsten Tankstelle laufen und dort einen kaufen (wenn mich mein Fersensporn nicht bei jedem Schritt schmerzhaft darauf hinweisen würde, dass das keine gute Idee wäre). Schauen wir doch mal in den Kofferraum! TOLL: da war ein Kanister! Und der war voll! Wer weiss, wie alt dieses Benzin schon war (20 Jahre? 30 Jahre? mehr? bis zu 50 Jahre waren möglich), es könnte also alle brennbaren Eigenschaften verloren haben. Aber was blieb mir übrig? Ich sah keine Alternative und füllte es ein. Wieder im Auto versuchte ich zu starten, denn die Tankanzeige zeigte nun deutlich mehr Benzin an; leer war der Tank nun sicher nicht mehr. Der Anlasser drehte freudig (und ich war froh, dass ich bisher die Batterie geschont hatte und das Gebläse aus gelassen hatte), aber es war keine einzige Zündung zu hören. Und nach längerem Orgeln wurde auch der Anlasser müde. Schnell aufhören, lieber für einen späteren Versuch, wenn mir etwas Neues eingefallen wäre, noch etwas Kraft in der Batterie aufheben, denn sonst wäre Schicht im Schacht. Mit dem Loslassen des Zündschlüssels sprang der Motor plötzlich an! Ich war sehr froh, hey, einfach kein Benzin gehabt, na easy zu fixen. Der Motor lief etwas unruhig und ich gab mehr Gas. Dann wollte ich auf die Strasse zurückfahren, liess die Kupplung kommen, noch mehr Gas -- der Motor stand wieder! Und ich stand mit dem Auto halb auf der Strasse. Aaargh! Schnell den Fuss aus der Fahrertür gestreckt und das Auto mit Fußkraft zurück in die Feldwegbucht geschoben. Puuh, gerade noch geschafft!!

Erneuter Anruf bei Barb "... ja, sieht nicht gut aus". Die Plätzchen hinderten sie noch daran, mich abholen zu kommen. Kein Problem, ich überlege mir nochmal was. Das erinnerte mich an das Kindertheater, das wir mal in Mühldorf gesehen hatten. Der Refrain bei scheinbar unlösbaren Problemen war "... dann müssen wir uns halt etwas einfallen lassen!" Das mit dem Einfallen sollte klappen, denn ich bekam mittlerweile einen kühlen Kopf: die Temperaturen im Wageninneren näherten sich den Aussentemperaturen an, und die lagen deutlich unter Null. Aber es klappte einfach nicht: Benzin war im Tank, aber der Motor lief nicht. Doch die Filter verstopft? Ich hatte aber garantiert kein E10 getankt, denn das scheute ich seither wie der Teufel das Weihwasser. Und ich war ja auch schon über 100km (von Altötting nach M) ohne Probleme mit dem Zeug im Tank gefahren. Was konnte es sein? Vielleicht war es auch einfach ZU kalt und mein Kopf fror ein und es wollte mir deshalb nichts einfallen?

Ich brauchte eine Inspiration. Was war dafür besser geeignet, als ein toter Motor? Also wollte ich mal unter die Motorhaube schauen. Vielleicht bemerkte ich ja etwas Aussergewöhnliches. Ich öffnete also die Haube und bemerkte in der Tat zu meiner Überraschung eine relativ dicke Eisschicht an der Vorderkante der Haube. Das musste vom Nebel kommen! Unter Null Grad kühlte sich auch die Haube stark ab (der Motor war ja eh recht kalt, es war nur der kleine Kühlkreislauf zum Heizungskühler aktiv, der Hauptkühler hinter dem Grill war völlig kalt, es gab also kaum etwas, das die Haube erwärmt hätte) und die Nebeltröpfchen gefroren sofort, sobald sie mit der Haube in Kontakt kamen. Aha. Da kam mir ein neuer Gedanke: Eis, ..., Vergaservereisung! Was im ersten Moment nicht dazu passte war, dass es unter der Haube stark nach Benzin roch. Ich prüfte noch das Schauglas vor dem Vergaser: schön gefüllt mit Benzin. Es war also auf keinen Fall zu wenig Benzin vorhanden. Ich fühlte den Vergaser aussen an und er war moderat warm. Er liegt bei mir zwischen den beiden Zylinderreihen meines V-Motors und wird daher recht schnell warm, was im Sommer schon öfters zu Überkochen und Startschwierigkeiten geführt hat. Daher habe ich vor vielen Jahren eine Asbest-Wärmeisolierung zwischen Motor und Vergaser angebracht, die diesen nun deutlich kühler hält.

Zurück im Wageninneren rief ich erst mal Barb an: sie sollte noch nicht losfahren, denn nun hatte ich eine Idee, was sein könnte, und könnte mir möglicherweise mit Bordmitteln selbst aus der Patsche helfen. Dann schlug ich bei Wikipedia (ein Hoch auf UMTS und Handys!) und Vergaservereisung nach. Alles passte: Aussentemperatur leicht unter Null, hohe Luftfeuchtigkeit (Nebel!). Ausserdem ist es NICHT so (wie ich vermutet hatte), dass die Vergaserdüse zufriert (und dann zu wenig Benzin in den Motor kommt), sondern es lagert sich Wassereis im Venturitrichter ab und verengt diesen, woraufhin noch mehr Benzin angesaugt wird und der Motor an Überfettung stirbt! Das würde zu dem starken Benzingeruch passen. Und erklärt, warum weiteres Benzin aus der Beschleunigerpumpe den Motor nicht starten konnte (er war ja schon ertrunken!). Was tun?

Es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis die klägliche Restwärme des Motors über meine Wärmeisolierung gekrochen war und den Vergaser auf über Null Grad erwärmt hatte (und so das Eis weggeschmolzen war). Wikipedia berichtete, dass es im Vergaser durch den Venturi-Unterdruck und das Verdampfen des Benzins um bis zu 20C kälter als außen werden konnte. Also -22C reichten sicher, um die eingesaugten Nebeltröpfchen an der Venturi-Wand festfrieren zu lassen. Ich zog meinen Parka an, um während des Wartens nicht auch festzufrieren.

Die Wartezeit gab mir Gelegenheit, alles noch einmal zu durchdenken. Und ich erinnerte mich an frühere Zeiten, als ich mit Maxl oft im Winter bei Eis und Schnee unterwegs war: es gab da eine Vergaser-Vorwärmung! Die war nachträglich eingebaut worden, um Vergaservereisung zu vermeiden!! Sie bestand aus einem Stück Schlauch, den ich über den Ansaugstutzen des Luftfilters schieben musste und der in einem Ansaugtrichter direkt über dem heissen Auspuffkrümmer endete. Das war es! Früher war dieser Schlauch immer im Kofferraum dabei. Also suchte ich dort nach ihm. Und keine Frage: da war der Schlauch auch heute noch! Yeahh! Der Einbau im Motorraum war ein Klacks und in Null Komma Nichts geschehen.

Ich wagte wieder einen Startversuch, leider ohne Erfolg. Um die Batterie nicht zu entladen, brach ich schnell wieder ab. Ich wartete weitere 10 Minuten. Jetzt musste der Vergaser doch aufgetaut sein.

Für einen erneuten Startversuch drückte ich das Gaspedal ganz durch, denn gegen zu viel Benzin im Motor hilft nur Vollgas! Das klingt komisch, ist aber so. Denn bei Vollgas ist die Drosselklappe ganz geöffnet und bei den niedrigen Anlasserdrehzahlen wird kaum Luft gesaugt, sodass der Unterdruck zusammenbricht und nur sehr wenig Benzin zerstäubt wird. Genau richtig für einen abgesoffenen Motor. Also orgelte ich bei Vollgas. Keine Zündung. Wie lange würde die Batterie noch durchhalten? Ich liess enttäuscht den Zündschlüssel los. In diesem Moment sprang der Motor an!! Und es nahm die Drehzahl zu! Geschafft! Der Motor lief!!

Bevor ich erneut versuchte, auf die Strasse zu fahren, liess ich den Motor erst bei erhöhter Drehzahl (damit die GleichstromLiMa auch Strom lieferte) einige Zeit laufen, um die Batterie für eventuell erforderliche weitere Startversuche aufzuladen und um den Motor aufzuwärmen, damit nur ja der Vergaser nicht wieder zu kalt werden würde. Und ich verständigte Barb und berichtete, dass ich keine Hilfe mehr benötigen würde.

Ab diesem Moment lief der Motor einwandfrei und lieferte auch Leistung. Bei der nächsten Tankstelle (in Mühldorf) tankte ich frisches Benzin auf (und füllte den Reservekanister), denn wer weiss wie gut das Benzin im Kanister noch gewesen war, jetzt wollte ich lieber nichts mehr riskieren. So wurde es wenigstens ausreichend mit frischem, zündfähigem Sprit verdünnt.

Ich kam dann ohne weitere Probleme gegen 21:30h gut zuhause an und war um ein Abenteuer reicher.

Michael Hermann hat ja auch schon Bekanntschaft mit Vergaservereisung gemacht, allerdings in einem Flugzeug, wo ein Ausfall des Triebwerks bekanntlich wesentlich gravierender ist. Es scheint auch in Flugzeugen wesentlich öfter zur Vergaservereisung zu kommen als in Automobilien, denn Flugzeuge wechseln schon mal die Höhe und kommen dann aus sehr kalten in sehr feuchte Luftschichten, was zur Vereisung führen kann. Daher gibt es dort auch alle möglichen Hebel, die man ziehen kann, und die den Vergaser dann irgendwie aufwärmen, eben weil das Problem bekannt ist und tunlichst vermieden werden sollte. Bei meinem Maxl muss man halt einen Schlauch einbauen.

Euch allen wünsche ich recht frohe Weihnachten und keine Vergaservereisung!

Euer
Helmut